Biografie Margarethe Ottillinger
1919 Am 6. Juni wird MO in Steinbach, einem kleinen Dorf in Mauerbach bei Wien, als Tochter eines Bäckers und einer Hausfrau geboren. Sie hat einen Bruder. Zunächst besucht sie die Volksschule in Steinbach. Die 4. Klasse Volksschule absolviert sie in Wien Hütteldorf. Danach besucht sie das Gymnasium in der Boerhavegasse im 3. Bezirk und wohnt im Internat.
1937 absolviert sie die Matura.
1938 beginnt sie an der Hochschule für Welthandel zu studieren. Um ihr Studium zu finanzieren arbeitet sie nebenbei bei der Spedition Schenker.
1940 Studienabschluss als Diplomkaufmann.
1941 schließt sie ihr Studium als Doktor der Handelswissenschaften ab, mit ihrer Dissertation „Die Donau – Wasserstraße Großdeutschlands und Verkehrsweg nach dem Nahen Osten“. Nach dem Studium arbeitet sie u. a. bei der Firma Feigenkaffee Kuhlemann, sowie bei den Veitscher Magnesitwerken. Um nicht Parteimitglied der NSdAP werden zu müssen, meldet sie sich freiwillig als Krankenschwester beim Roten Kreuz.
1942 wird sie Mitarbeiterin der Reichsvereinigung Eisen, zunächst als Leiterin der statistischen Abteilung und Referentin für sozialwirtschaftliche Fragen bei der Reichsvereinigung Eisen, Außenstelle Südost.
1944 übernimmt sie die Leitung der Geschäftsstelle Reichsvereinigung Eisen in Wien.
1945 Nach Kriegsende wird sie Geschäftsführerin des Fachverbandes Berg- und Hüttenwerke der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft.
1946 lernt sie bei der Wiedereröffnung des Hochofens Donawitz Planungsminister Peter Krauland kennen, der sie als Mitarbeiterin für sein Ministerium haben will. Sie wechselt als Konsulentin in das von ihm geleitete Ministerium für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung. In der Planungssektion erlangt sie gute Kenntnis von den Plänen zum österreichischen Wirtschaftsaufbau sowie über die von der Sowjetunion beschlagnahmten USIA-Betriebe, was sie für die Sowjets verdächtig macht.
1947 wird sie Sektionschefin im Planungsministerium, wo sie zentral an den Wirtschaftsplänen für den Wiederaufbau Österreichs sowie an der Marshallplanhilfe für Österreich arbeitet. Dank ihrer Vorarbeiten gelingt es, für Österreich die zweithöchste Pro-Kopf-Zuweisung (nach Norwegen) aus dem Marshallplan zu sichern.
1948 Am 5. November wird sie auf dem Weg von einer amtlichen Besprechung in Linz auf der Rückfahrt beim Übertritt in die sowjetische Zone auf der oberösterreichischen Ennsbrücke bei St. Valentin von sowjetischen Besatzungssoldaten festgenommen. Minister Krauland, der ebenfalls im Wagen ist, darf weiterfahren. Sie wird als „US-Spionin“ zunächst in der russischen Kommandatur in Baden bei Wien gefangen gehalten, wo man versucht, sie zu einem Geständnis zu zwingen. Die genauen Gründe für ihre Verhaftung sind bis heute nicht vollständig geklärt. MO selbst vertritt später die Ansicht, ihre Verhaftung sei lange von zwei Österreichern geplant gewesen, wollte jedoch ohne schriftliche Beweise und aus Prinzip die Namen der Personen nicht nennen. Der Historiker Stefan Karner, der Einsicht in die KGB Akten erhielt und diese auch publizierte, geht davon aus, dass der sowjetische Geheimdienst Peter Krauland treffen wollte, in dem man seine wichtigste Mitarbeiterin anhand falsch konstruierter Anschuldigungen verhaften ließ.
1949 Am 25. Mai wird sie wegen Beihilfe zum Landesverrat sowjetischer Offiziere und wegen Wirtschaftsspionage zugunsten der Vereinigten Staaten zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt.
Von 1949 bis 1955 ist sie in verschiedenen russischen Straflagern (v. a. in Potma, Lubjanka, Butyrka) interniert und erkrankt aufgrund der schlechten Lebensbedingungen und schweren Arbeitslast immer wieder schwer. Während ihrer Erkrankungen in der Gefangenschaft findet sie Trost und Hoffnung im Glauben und schwört nach ihrer Entlassung eine Kirche bauen zu lassen, sollte sie überleben. Nach dem Tod Stalins kommt es zu großen Veränderungen in der UdSSR. 1955 wird MO anlässlich einer größeren Amnestie rund um den Abschluss des Staatsvertrages aus der Haft entlassen. Sie strengt eine Rehabilitation bei der sowjetischen Justiz an.
1955 Am 25. Juni kehrt sie in einem Zug nach Österreich zurück. Weil sie körperlich zu schwach ist, wird sie auf einer Tragbahre aus dem Zug gehoben – ein Bild, das um die Welt geht.
1956 wird das Urteil gegen sie offiziell aufgehoben und MO vollständig rehabilitiert. Nachdem sie sich gesundheitlich halbwegs erholt hat, versucht sie wieder im Ministerium eine Arbeitsstelle zu bekommen, was ihr jedoch versagt bleibt. Anton Benya und Felix Hurdes bemühen sich erfolglos eine Stelle für sie zu finden. Erst auf Initiative von Bundeskanzler Julius Raab kann sie als Konsulentin bei der neugegründeten Österreichischen Mineralölverwaltung (ÖMV) anfangen.
1957 wird sie Prokuristin in der ÖMV und kurz darauf Vorstandsmitglied bis zu ihrer Pensionierung 1982. Als Mitglied des vierköpfigen Vorstands ist sie für Personal, wirtschaftliche Planung und Koordinierung zuständig. Neben ihrer Tätigkeit bei der ÖMV ist sie in mehreren Aufsichtsräten tätig sowie Vorsitzende des arbeitsrechtlichen Ausschusses und Ausschussmitglied des Fachverbandes der Erdölindustrie Österreichs. Darüber hinaus engagiert sie sich ehrenamtlich, u. a. als Kuratoriumsmitglied des Afro-Asiatischen Instituts und der Stiftung Pro Oriente.
1964 kontaktiert sie auf Empfehlung von Prälat Unger den Bildhauer Fritz Wotruba bzgl. der Gestaltung und Errichtung einer Kirche. Sie gewinnt Kardinal Franz König für das Projekt und überredet viele PolitikerInnen und Unternehmen den Bau einer Kirche finanziell zu unterstützen. Zunächst will sie eine Karmelkirche in ihrem Heimatort Steinbach bauen lassen, erwirkt dort jedoch keine Zustimmung. Auf der Suche nach einer geeigneten Fläche werden Wotruba und MO schließlich in Wien fündig, auf dem Gebiet einer ehemaligen Luftwaffenkaserne am Georgenberg (im 23. Bezirk in Wien Mauer).
1968 Die ÖMV handelt als erstes Land in Europa Gaslieferverträge mit der UdSSR aus. Aufgrund ihrer Russisch-Kenntnisse, die sie sich in der Gefangenschaft angeeignet hat, ist sie intensiv an den Verhandlungen beteiligt. Ab 1968 fließt russisches Gas nach Österreich.
Von 1974 bis 1976 wird die „Wotrubakirche“ gebaut und am 24. Oktober 1976 als „Kirche zur Heiligen Dreifaltigkeit“ eingeweiht.
1982 geht MO (widerwillig) in Pension. Fortan widmet sie sich Reisen, ehrenamtlichen Tätigkeiten sowie nach wie vor der Jagd. Sie vertieft sich immer mehr in die Spiritualität der Servitinnen und übersiedelt schließlich zeitweise (neben ihrer Wohnung in Purkersdorf) in ein PensionistInnenheim, das von der Ordensgemeinschaft geführt wird. Kurz vor ihrem Tod tritt sie der Gemeinschaft als Tertiarierin bei.
1992 Am 30. November stirbt sie in Wien und wird auf dem Friedhof in Wien-Mauer in der Grabstätte der Servitinnen begraben.
2013 wird der Platz vor der Wotruba-Kirche in Ottillinger-Platz umbenannt.
“Es war der Wunsch, nicht im Alltäglichen dahinzuvegetieren, sondern an der Spitze zu stehen, wie ein Mann Verantwortung zu tragen und arbeiten zu können.“
Margarethe Ottillinger